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Was ist Glauben? Den Glauben können wir nicht greifen, sehen oder schmecken. Glauben bezeichnet mehr als ein verstandesmäßiges Anerkennen einer
Tatsache. Das Wort (griech. pistis, Hauptwort; pisteuo, Zeitwort) bedeutet; haften an, sich anvertrauen, Vertrauen haben, sich stützen auf, trauen auf eine Person oder ein Etwas, und das schließt nicht nur das Zustimmen des
Verstandes ein, sondern ist auch eine Tat des Herzens und des Willens des betreffenden Menschen.
Der Zusammenhang zwischen Kirche, Religion und Glauben Die Elementaristik ist eine Glaubensform, die ihren
Ursprung in der Philosophie wie auch in einigen Bereichen der Naturreligionen findet. Ihre Entstehung liegt im dunkeln, trotz langer Suche konnte ich nichts über ihren Beginn in Erfahrung bringen. In ihren Inhalten zeigt sie
sich den Einflüsse unterschiedlichster Glaubensströmungen aus vielen verschiedenen Religionen unserer Welt verbunden. Wir finden in ihr die Meditation aus dem asiatischen Raum, Philosophien, die dem Buddhismus entlehnt
scheinen, naturreligiöse Anlehnungen des europäischen Kontinents . Die Einordnung ihrer zeitlichen Entstehung kann sich deswegen ebenfalls nur auf Vermutungen stützen. Andererseits sagt die Entwicklung einer Religion - oder
besser: eines Glaubens - so gut wie nichts über die Inhalte oder die Richtigkeit ihrer Lehre aus. Ebenso kann man von ihrem Verbreitungsgrad keine Schlußfolgerungen auf ihre Popularität oder ihre Definitionen ziehen. Diese
Eigenschaften werden oder wurden zum großen Teil durch äußere Einflüsse begünstigt oder behindert. Viele Religionen versuchen, durch ihre Heilslehre, durch Versprechungen auf das Jenseits oder das nächste Leben oder durch das
Erlangen besonderer Fähigkeiten neue Anhänger zu gewinnen. Nicht zuletzt werden die Inhalte eins Glaubens massiver Kontrolle von den jeweiligen kirchlichen Institutionen unterworfen, um sie den politischen Machtansprüchen
der leitenden Funktionäre anzupassen und diese durch den Glauben selbst zu bestätigen. Es ist eine erwiesene Tatsache, daß eine große Kirche, die auf einem verbreitenden Glauben basiert, ab einem bestimmten Punkt in ihrer
Entwicklung zu einem gewissen Maß an Dekadenz und zu einem fortwährenden Ausbau der eigenen Machtstellung neigt. Dies betrifft vor allem die geistlichen Führer dieser Institutionen, die über einer große Masse teilweise williger
Gefolgsleute stehen, die von ihnen Antworten auf ihre Sorgen und Ängste erhoffen. Was in diesem Zusammenhang geschieht, ist eine Art ”Spezialisierung” des Glaubens. Der Einzelne, der sich in dieser Religion
aufgehoben und geborgen fühlt, tendiert dazu, nicht mehr selbst seinen eigenen Glauben zu bemühen, sondern theologische Fragen den “Fachmänner”, also den gehobenen Amtsträgern seiner Religion zu überlassen. Er
erhofft von ihnen das, was es im wirklichen Leben nur sehr selten gibt: allgemein gültige Antworten und Anleitungen, um den Zielen seines Glaubens zu entsprechen. Er entmündigt sich und damit seinen eigenen Glauben selbst,
indem er die Auslegung seiner Religion anderen Menschen überträgt. Es ist verständlich, daß unter diesen Umständen die Vertreter dieser Kirchen der Versuchung, die ihnen aufgetragene Macht für ihre eigenen Ziele zu
gebrauchen, nicht in unbegrenztem Maße widerstehen können. Sie selbst sind auch nur Menschen, und oftmals mit denselben Zweifeln an der Richtigkeit ihrer Thesen, wie sie auch der ?einfache? Gläubige hegt. Sie begeben sich damit
jedoch in einen Teufelskreis der gegenseitigen Abhängigkeit, ebenso wie der Einzelne, der sich voll und ganz nach den Ansichten der theologischen Führer richtet. Zunehmend und schon seit längerer Zeit ist, durch die
Entwicklung unserer Gesellschaft, den Erfolgen in den Naturwissenschaften und der Erkenntnis, das einige der theologisch als Tatsachen bezeichneten Vorgänge sich als falsch erwiesen haben, eine allgemeine Entfremdung des
Glaubens generell eingetreten. Anstatt sich auf unsichere Glaubensansätze zu verlassen und von den Führern der jeweiligen dominierenden Religionen enttäuscht, wendet sich die Menschheit verstärkt zu den technischen
Errungenschaften hin, verläßt sich nur auf die als gesichert geltenden Erkenntnisse der Wissenschaft. Es entsteht eine technisierte, unterkühlte Atmosphäre, in der die menschlichen Belange nicht mehr genügend beachtet werden.
Der Mensch droht, emotional und ethisch zu erkalten. Die Wissenschaft gibt ihm die Möglichkeiten, selbst “Gott” zu spielen. Er sieht sich als Produkt und auch als Herrscher seiner Umwelt, nicht mehr als Teil von
ihr. Eine Aufrechterhaltung des Glaubens ist - wie leicht zu ersehen ist - zur Erhaltung der ethischen Normen, die unser Zusammenleben regeln und aus uns erst den Menschen machen, als den wir uns bezeichnen, aus sich heraus
notwendig. Der Mensch braucht etwas, an das er glauben kann, um Antworten auf Fragen zu finden, die seine Wissenschaft nicht beantworten kann. Dies sind vor allem Fragen zum Sinn des Lebens, zur Existenz, zur Rolle des Menschen
in seiner Umwelt, zum Phänomen des Todes. Werden diese Fragen ignoriert, bildet sich zwangsläufig ein ethisch ungenormtes Wesen aus, eine nekrophile Entwicklung wird eingeleitet. Es entsteht ein Organisations- und
Automatenmensch ( vergleiche hierzu das Buch "Die Seele des Menschen" von Erich Fromm, 3. Kapitel, erschienen 1979 im DTV-Verlag, ISBN 3-421-01933-9 ).
Um seine Hoffnungen und Ängste in einem Glauben aufgehoben zu wissen, ist es eine Notwendigkeit, daß man diesen Glauben frei leben kann, ihn also nicht von den Auslegungen oder Vorschriften anderer abhängig macht. Man muß seinen Glauben als ein persönliches Gut ansehen, dem man vollständig seine persönlichen Einstellungen und Philosophien zuordnen kann. Dies finden viele Menschen in den etablierten Kirchen nicht mehr, die selbst starr und streng hierarchisch geordnet sind. Es werden alternative Glaubensrichtungen, im schlimmsten Fall dominierende Sekten, gesucht, um dieses innere Defizit auszugleichen. Und hier kommen wir wieder auf die Elementaristik zurück. Die Elementaristik basiert auf dem Prinzip der Freiheit des persönlichen Glaubens. Es gibt in ihr keine Führungsstruktur, keine festen Prinzipien, keine wiederkehrenden Ritualformen, keine festgelegten moralischen Bewertungen. Der elementaristische Glauben versteht sich als eine persönliche Glaubensform des Einzelnen, der für sich selbst nach einem Weg und nach ganz persönlichen Antworten auf seine ganz persönlichen Fragen sucht. Dieses Prinzip ist verglichen mit den geregelten Strukturen anderer Religionen sehr abstrakt, es erfordert vom Einzelnen den Willen, sich selbst “Gedanken” zu machen und nicht auf die Anweisungen anderer zu vertrauen. Ihre Inhalte und ihre Weltan- schauung verhindern die Instrumentalisierung ihrer Grundsätze. Schon aus diesem Grund wäre es falsch, sie als eine “Sekte” abzutun, denn ihr fehlt die Struktur, sie lehnt jede äußere Einflußnahme strikt ab. Dies mag mit ein Grund für die äußerst geringe Verbreitung dieser Glaubensform sein. Strenggenommen handelt es sich bei der Elementaristik also um keine Religion, zumindest nicht in der Form strukturierter Religionen, wie sie in zivilisierten Gesellschaften üblich sind. Nach diesem Selbstverständnis ist die Elementaristik als eine persönliche Glaubensform anzusehen, die dem Einzelnen innerhalb weitgesteckter Grenzen einen großen Freiraum zur Selbstgestaltung und -auslegung überläßt.
© Heiner Dustmann
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