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Der Islam (600-900 n. Chr.) Gemäss der Statistik gibt es auf der Welt mehr als 900 Millionen Muslime,was bedeutet, dass nur die
römisch-katholische Kirche zahlenmässig stärker ist. Der Islam ist vielleicht die am schnellsten wachsende Weltreligion, er breitet sich sowohl in Afrika als auch in der westlichen Welt aus. Die Bezeichnung Islam ist für den
Muslim wichtig, bedeutet sie doch "Unterwerfung", "Hingabe" oder "Uebergabe" (an Allah) und drückt, wie ein Historiker schreibt, "die innerste Einstellung derjenigen aus . . ., die dem
Predigen Mohammeds Gehör schenkten". "Muslim" bedeutet "den Islam Ausübender". Die Muslime glauben, dass ihre Religion der Höhepunkt der Offenbarungen ist, die die Hebräer und die Christen erhalten
haben. Ihre Lehren weichen jedoch in manchen Punkten von der Bibel ab, obwohl im Qur´an sowohl aus den Hebräischen als auch aus den Griechischen Schriften zitiert wird.
Der Qur'an und die Bibel »Er
hat herabgesandt zu dir das Buch mit der Wahrheit, bestätigend das, was ihm vorausging; und vordem sandte Er herab die Thora und das Evangelium als eine Richtschnur für die Menschen; und Er hat herabgesandt das Entscheidende«
(Sure 3:4, HA). Fast alle historischen Erzählungen im Qur'an finden in der Bibel eine Parallele. Folgende Gestalten des Alten Testaments spielen eine wichtige Rolle: Adam, Noah, Abraham (er wird etwa 70mal in 25
verschiedenen Suren genannt, und sein Name erscheint als Überschrift der 14. Sure), Ismael, Lot, Joseph (ihm ist die 12. Sure gewidmet), Moses (sein Name erscheint in 34 verschiedenen Suren), Saul, David, Salomo, Elia, Hiob und
Jona (mit seinem Namen ist die 10. Sure überschrieben). Die Erzählung von Adams Erschaffung und Sündenfall wird 5mal erwähnt, die Sintflut 8mal und Sodom 8mal. Der Koran weist mehr Parallelen zum Pentateuch auf als zu
irgendeinem anderen Teil der Bibel.Von den Gestalten des Neuen Testaments werden nur Sacharja, Johannes der Täufer, Jesus (Isa) und Maria hervorgehoben. (arabisch: Friede in Ergebenheit, Unterwerfung oder Hingabe zu Gott)
So bezeichnete Mohammed die Glaubensform des bildlosen Monotheismus. Laut Mohammed sind alle Menschen, die Gottbewusst leben, Muslime (arabisch: Ergebene). In Europa ist es üblich, von Mohammedanern zu sprechen. Die Bezeichnung
Mohammedaner wird von Muslimen abgelehnt, da diese einen Personenkult um Mohammed impliziere, der nicht der Lehre des Islam entspräche. Sie legen wert darauf dass Mohammed nicht eine neue Religion geschaffen, sondern die seit
Adams Zeiten bestehende Urreligion in Erinnerung brachte. Denn nach dem Koran waren Adam, Noah, Lot, Abraham, Ismael, Isaak, Jakob, Joseph, Moses, Aaron, David, Salomo, Elias, Elisa, Hiob, Jona, Zacharias, Johannes und Jesus
alle Propheten, welche zuvor den ergebenen Glauben an Gott(Allah) an die Menschen verkündet haben. Allah (arabisch al-ilah: der Gott), im Islam das Wort für Gott. Die islamische Vorstellung von Gott ist mit der des Judentums
und des Christentums verwandt. Allah wurde bereits von den vorislamischen Arabern verehrt, jedoch nicht als einziger Gott, sondern als Hochgott, der im Kult hinter anderen neueren Göttern zurücktrat. Dieser Hochgott, der mit
der Kaaba in Mekka in Verbindung stand, wurde häufig einfach als "der Gott" angerufen; und so wurde durch ständigen Gebrauch das Wort al-ilah zu Allah. Mohammed übertrug den schon existierenden Hochgott auf den einen
und einzigen Gott, als dessen Prophet er sich verstand (Monotheismus). Zahlreiche andere Worte für Gott stehen für die Eigenschaften, die Allah zugeschrieben werden. Zu den bekanntesten zählen Al-Rahman (der Barmherzige) und
Al-Rahmin (der Mitleidvolle). Die Tradition kennt insgesamt 99 Namen Allahs, die als "die schönsten Namen" gepriesen werden. Gewöhnlich erhalten Muslime einen Vornamen, der aus einem der Gottesnamen mit dem
vorgesetzten Wort abd (Diener) besteht: Abd Allah, Abd al-Rahman, Abd al-Rahmin, etc. Die Lehre Mohammeds zeichnet sich durch ihre leichte Fasslichkeit aus, denn sie hat eigentlich nur einen Glaubenssatz, der sich an die
ganze Welt richtet. Dieser bildet die drittletzte (112.) Sure des Koran und lautet: "Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt, und kein Wesen ist ihm gleich. Ihn, den Allerbarmer(Rahman),
zu verehren und von ihm sich leiten zu lassen ist die einzige religiöse Pflicht des Menschen." Ebenso einfach wie die Lehre ist auch die Ehtik des Islam, denn von ihr gilt der Grundsatz: "Gott will es euch leicht
machen, den der Mensch ist ein schwaches Geschöpf" (Koran 4. Sure 32. Vers). Zu Mohammeds Lebzeiten (um 570 bis 632) war die Arabische Halbinsel von nomadischen, viehzüchtenden Beduinen und von handeltreibenden Arabern,
die vornehmlich in Städten wohnten, bevölkert. Die Religion der Araber war polytheistisch. Davon unabhängig existierte die alte monotheistische Tradition oder zumindest ein überlieferter Glaube an den höchsten Gott (Hochgott),
der bereits als Allah verehrt wurde. Vermutlich trugen neben den Überlieferungen der Generationen auch jüdische und christliche Gemeinden zu einer wachsenden Aufgeschlossenheit gegenüber monotheistischen Lehren bei. Schon vor
Mohammed gab es eine Reihe monotheistischer Prediger, die jedoch erfolglos blieben. Mohammed begann sein Wirken mit 40 Jahren, als ihm, wie er berichtete, in einer Vision der Erzengel Gabriel erschien. Mohammed vertraute
seiner Familie und engen Freunden seine Visionen an. Er begann dann, öffentlich in seiner Geburtsstadt Mekka zu predigen, wurde jedoch verspottet. So zog er 622 nach Medina. Diese Auswanderung, die als Hidjra bezeichnet wird,
stellt den Beginn der islamischen Zeitrechnung dar. In Medina gewann Mohammed bald weltliche und geistliche Autorität und war als Gesetzgeber und Prophet anerkannt. 630 wurde auch Mekka dem einzigen Gott ergeben(Muslime). Bei
seinem Tod 632 war Mohammed Herrscher über einen arabischen Staat, dessen Macht rasch zunahm. Unter den Arabern war die Beschneidung schon vor der Zeit Mohammeds bekannt. Auch wenn der Koran sie nicht erwähnt, verlangt es
islamischer Brauch, dass ein männlicher Muslim vor der Heirat beschnitten ist; das Ritual wird gewöhnlich in der Kindheit vollzogen. Der Islam als Religion(Sunniten, Schiiten) ab 900 n. Chr. Gegenwärtig wird die Zahl der
Anhänger des Islam auf insgesamt etwa 1 Milliarde Menschen geschätzt. Zu den Ländern der islamischen Weltgemeinschaft gehören die arabischen Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten, die Türkei und Teile der früheren UdSSR in
Zentralasien (Turkvölker), der Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien und Bangladesh, Malaysia, Indonesien, Philippinen und Teile Chinas. In Europa ist der Islam die zweitgrösste Religion nach dem Christentum. Der Tod des
Propheten Mohammed stürzte die Muslime in eine Krise. Er starb ohne einen Sohn und ohne jemand zu seinem Nachfolger bestimmt zu haben. Philip Hitti schreibt: "Das Kalifat (Amt des Kalifen) ist somit das älteste Problem des
Islams. Es ist heute noch eine Streitfrage. Der muslimische Historiker al-Shahrast ani [1086-1153] schrieb: "Nie wurde wegen einer islamischen Streitfrage mehr Blut vergossen als wegen des Kalifats (imamah)." Abu Bakr
wurde durch eine Art Wahl, an der sich die in der Hauptstadt al-Mad inah anwesenden Führer beteiligten, zum Nachfolger Mohammeds bestimmt (8. Juni 632)" (History of the Arabs). Der Nachfolger des Propheten sollte ein
Herrscher, ein khalifah oder Kalif, sein. Die Frage jedoch, wer der wahre Nachfolger Mohammeds sei, bewirkte Spaltungen im Islam. Die Sunniten halten an dem Wahlprinzip fest und lehnen das erbliche Recht ab. Daher glauben sie,
daß die ersten drei Kalifen, Abu Bakr (Muhammads Schwiegervater), Omar (Ratgeber des Propheten) und Othman (Schwiegersohn des Propheten), die legitimen Nachfolger Muhammads waren. Dem widersprechen die Schiiten, die sagen,
allein die Familie des Propheten habe Anspruch auf die Führung, und zwar durch seinen Vetter und Schwiegersohn, Ali Ibn Abi Talib, den ersten Imam (Führer und Nachfolger), der Muhammads Lieblingstochter Fatima geheiratet hatte.
Aus dieser Ehe gingen Muhammads Enkel Hasan und Husain hervor. Die Schiiten behaupten zudem, daß "Allah und Sein Prophet von Anfang an eindeutig Ali zum einzig legitimen Nachfolger bestimmt haben, daß aber die ersten drei
Kalifen ihn um das Amt, das er richtigerweise hätte ausüben sollen, betrogen hätten" (History of the Arabs). Dies bewirkte, dass sich der Islam spaltete und Muhammads Lehre, die Menschheit an den einzigen Gott, an die
"Ewige Religion" zu erinnern in Vergessenheit geriet. Die Zeit zwischen 900-1200 n. Chr. brachte die heutigen islamischen Merkmale. Die Sunniten sind neben den Schiiten die grösste Gruppe im Islam. Der Begriff
Sunna, den die Sunniten auf ihre Gruppe beziehen ("Menschen der Sunna"), bedeutet vermutlich "Mitte des Weges". Er bezieht sich demnach nicht, wie allgemein angenommen, auf Sunna, das "Vorbild" des
Propheten Mohammed, da alle islamischen Gruppen und Sekten die Sunna, neben dem Koran, als verbindliche Lehre anerkennen. Die Lehren der Sunniten bildeten sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts heraus, während ihre Theologie
als einheitliches System im 10. Jahrhundert entwickelt wurde. Damit reagierten die Sunniten auf frühe Abspaltungsbestrebungen anderer islamischer Gruppen, wie z. B. der Charidschiten, Mutasiliten und der Schiiten. Die Betonung
der Bestimmung des menschlichen Schicksals durch den Willen Gottes entstand in der Auseinandersetzung mit der Überzeugung der Mutasiliten von der absoluten Freiheit des menschlichen Willens. Innerhalb der sunnitischen Theologie
haben sich vier Gesetzesschulen entwickelt: die Schafiiten, die Hanefiten, die Malikiten und die Hanbaliten. Die beiden grundlegenden Quellen der islamischen Glaubenslehre und Religionsausübung sind der Koran und die
Sunna. Die Muslime verstehen den Koran als das Wort Gottes, wie es Mohammed durch den Erzengel Gabriel übermittelt wurde. Sie glauben, dass Gott selbst, und nicht Mohammed, der Autor des Korans ist, welcher deshalb unfehlbar
sei. Diese Schrift stellt die Sammlung der Worte dar, die Mohammed während der rund 22 Jahre seines Wirkens als Prophet zwischen 610 und 632 geoffenbart wurden. Sie besteht aus 114 Suren (Kapitel) von unterschiedlicher Länge,
dessen kürzeste nur drei kurze Verse umfasst, die längste 306 Verse. Islamische wie nichtislamische Gelehrte stimmen darin überein, dass der Text des Korans im Lauf seiner Geschichte im wesentlichen unverändert überliefert
wurde. Die zweite Hauptquelle des Islam, die Sunna (arabisch: Gewohnheit), auch als der vorbildliche Weg des Propheten bezeichnet, ist im Hadith (arabisch: Überlieferung), einer Textsammlung aus dem 9. Jahrhundert enthalten.
Diese umfasst die Aufzeichnungen über Denken, Handeln und Leben des Propheten. Der Hadith wird im Unterschied zum Koran nicht für unfehlbar gehalten und ist diesem gegenüber von nachrangiger Bedeutung, wird aber von den
meisten Muslimen als grundlegend für Glaube und Handeln angesehen. Der Islam ist streng monotheistisch. Er vertritt ebenso wie Judentum und Christentum den Glauben an den einen allmächtigen Gott. Die Welt stellt ein
wohlgeordnetes, harmonisches Ganzes dar, in dem alles seinen Platz und seine Ordnung hat. Gegenüber der Welt und speziell gegenüber der Menschheit nimmt Gott vier fundamentale Aufgaben wahr: Schaffen, Versorgen, Führen und
Richten. Die Aufgabe der Menschheit ist der "Dienst an Gott" sowie der Aufbau einer Gesellschaftsordnung, in der ethische Prinzipien verwirklicht sind. Dem Koran zufolge ist die "Verbesserung der Welt"
das Ideal aller menschlichen Anstrengungen. Dieser betont, dass die Menschen ihre Kleinlichkeit überwinden und grosszügig sein sollen. Dadurch werden sie die Tugend entwickeln, die als Taqwa bezeichnet wird. Mit Hilfe dieser
Eigenschaft können die Menschen das Gute vom Bösen unterscheiden und vor allem ihre eigenen Handlungen richtig bewerten und die Selbsttäuschung vermeiden. Der wahre Wert der Taten einer Person kann nur durch Taqwa beurteilt
werden; das Ziel des einzelnen sollte der höchste Nutzen für die Menschheit sein, nicht die unmittelbaren Freuden oder Wünsche des Selbst. Nach islamischer Auffassung schickte Gott aufgrund der moralischen Schwäche der
Menschen Propheten, um den Völkern sowie den einzelnen das moralisch und sprituell richtige Verhalten zu lehren. Mit diesem Akt göttlicher Führung sei – neben Schöpfung und Versorgung – Gottes Gnade vollendet.
Obwohl Gut und Böse ins Herz des Menschen eingeschrieben seien, hätten die Unfähigkeit oder die Weigerung vieler Menschen, diese Inschrift zu lesen, die Führung durch Propheten erforderlich gemacht. Nach dem Islam war Adam der
erste Prophet (dem Gott, nachdem er ihn aus dem Garten Eden vertrieb, seinen Sündenfall vergab – deshalb akzeptiert der Islam die Lehre von der Erbsünde nicht). Die Botschaften aller Propheten stammen danach aus derselben
göttlichen Quelle, die im Koran als "wohlverwahrte Tafel", "das verborgene Buch" und "die Mutter aller göttlichen Bücher" bezeichnet wird. Nach dieser Auffassung sind im Grunde alle Religionen ein
und dieselbe, auch wenn sich ihre institutionalisierten Formen unterscheiden. Die Propheten sind eine untrennbare Einheit. Sie sind menschlicher Natur, haben nicht an der Göttlichkeit teil, sondern sind die vollkommensten
Vorbilder für die Menschheit. Da einige Propheten den anderen überlegen sind, speziell bezüglich ihrer Standhaftigkeit gegenüber Versuchungen, bezeichnet der Koran Mohammed als "Siegel aller Propheten". Deshalb
glauben die Anhänger des Islam, dass das Prophetentum mit Mohammed vollendet und beendet und dass der Koran die letztgültige und vollkommene Offenbarung Gottes ist, die alle früheren Offenbarungen vollendet und aufhebt. Die
göttlichen Handlungen Schöpfen, Versorgen und Führen enden mit dem abschliessenden Akt des Richtens. Am Tag des Jüngsten Gerichts werden alle Menschen zusammengerufen und jeder einzelne nach seinen Taten gerichtet, wobei die
"Geretteten" ins Paradies eingehen, während die "Verdammten" in die Hölle absteigen. Dabei wird Gott als gnädiger Richter gesehen, der denjenigen vergibt, die Vergebung verdienen. Daneben kennt der Koran
eine weitere Form des göttlichen Gerichts, das im Verlauf der Geschichte über Nationen, Völker und Gemeinschaften gehalten wird. Die als "fünf Säulen des Islam" bekannten Pflichten werden im Islam als grundlegend
und zentral im Leben der islamischen Gemeinschaft betrachtet. Entsprechend der uneingeschränkt monotheistischen Auffassung des Islam ist die erste Pflicht das Glaubensbekenntnis (shahada): "Ich bezeuge, dass es keinen
weiteren Gott gibt ausser Gott, und Mohammed akzeptiere ich als seinen Propheten." Jeder darf sich als Muslim oder Muslimin betrachten, der bzw. die das Glaubenszeugnis bewusst und aufrichtig ausspricht. Die zweite
Pflicht besteht in fünf täglichen Gebeten. Das erste Gebet wird vor Sonnenaufgang, das zweite am sehr frühen Nachmittag, das dritte am späten Nachmittag, das vierte unmittelbar nach Sonnenuntergang und das fünfte vor der
Nachtruhe bzw. vor Mitternacht verrichtet. Zum Gebet richten sich die Muslime in Richtung der Kaaba in Mekka aus. Eine einzelne Gebetseinheit besteht aus einer stehenden Stellung, einer Verbeugung und zwei Prostrationen
(Niederstrecken und Berühren des Bodens mit der Stirn) und schliesslich einer sitzenden Position. Dabei werden vorgeschriebene Gebete und Koranstellen rezitiert. Alle fünf Gebete im Islam sind gemeinschaftlich und in einer
Moschee zu verrichten, können jedoch auch einzeln verrichtet werden, wenn jemand aus bestimmten Gründen nicht in der Gemeinde anwesend sein kann. Individuelle Andachtsgebete sind nicht vorgeschrieben, jedoch wird den Muslimen
nahegelegt, sie nach Mitternacht zu verrichten. Diese heissen Tahajjud (Nachtgebet). Im Nahen Osten und in Indonesien nehmen Frauen an den Gemeinschaftsgebeten teil, wobei sie in einem eigenen Raum oder Saal beten. Auf dem
indischen Subkontinent beten die muslimischen Frauen ausschliesslich im Haus. Vor dem Gebet nimmt der Muslim rituelle Waschungen vor. Vor jedem Gemeinschaftsgebet ruft der Muezzin (von azan: "Ruf zum Gebet") das
Gebet von einem Minarett der Moschee öffentlich aus. Neuerdings wird der Ruf über Lautsprecher verstärkt, so dass man ihn auch in grösserer Entfernung noch hören kann. Am Freitagnachmittag findet ein spezielles
Gemeinschaftsgebet in der Moschee statt. Vorher predigt der Imam, auch Khatib genannt, von der Kanzel. An den beiden religiösen Festtagen mit dem Namen Id (der Tag unmittelbar nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan und der Tag
nach der Pilgerreise nach Mekka) werden am Morgen spezielle Gebete verrichtet, denen eine Ansprache folgt. Diese Gebete finden nicht in der Moschee, sondern auf einem Platz ausserhalb statt. Die dritte Hauptpflicht eines
Muslims ist Zakat. Dies war ursprünglich die Steuer, die Mohammed (und später die muslimischen Staaten) von den reichen Mitgliedern der Gemeinschaft erhoben hatte, um den Armen zu helfen. Darüber hinaus soll die Zakat für die
Mission sowie für den Djihad verwendet werden. Nur wenn diese Abgabe bezahlt ist, gilt der übrige Besitz eines Muslims als rein und legitim. Die vierte Pflicht besteht im Fasten während des Ramadan im neunten Monat des
islamischen (Mond-Kalenders). Während des Fastenmonats enthält sich der erwachsene und gesunde Muslim von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang der Nahrung, Getränke, Genussmittel wie z. B. Rauchen sowie des Geschlechtsverkehrs.
Wer es sich leisten kann, muss darüber hinaus auch noch mindestens eine arme Person ernähren. Die fünfte Pflicht ist die Wallfahrt zur Kaaba in Mekka. Alle erwachsenen Muslime, die körperlich und wirtschaftlich dazu in der
Lage sind, müssen diese Wallfahrt mindestens einmal im Leben machen. Die Wallfahrt (hadjdj) findet während der ersten zehn Tage des letzten Monats im Mondjahr statt und beginnt damit, dass sich die Pilger durch Waschungen und
Anlegen eines Bussgewandes in einen Zustand der Reinheit versetzen. Der Hadjdj besteht im siebenmaligen Umschreiten der Kaaba sowie sieben Pilgergängen zwischen den Hügeln Safa und Marwa in der Nähe des Heiligtums, einem Gang
von drei Meilen (etwa 4,5 Kilometer) bis Mina und sieben weiteren Meilen (etwa 11 Kilometer) auf den Berg Arafat, einer symbolischen Steinigung des Teufels und der Schlachtung eines Tieres zur Erinnerung an Abrahams Opfer.
1977 wurden in Mekka fast zwei Millionen Pilger gezählt. Jahrhundertelang spielte die Kaaba als Treffpunkt islamischer Gelehrter eine wichtige Rolle für den Austausch und die Verbreitung ihrer Ideen. Im Lauf der letzten
zwanzig Jahre diente die Wallfahrt auch der Förderung der politischen Solidarität in der islamischen Welt. Neben diesen fünf Hauptstützen des Islam gibt es weitere wichtige Vorschriften, beispielsweise das Verbot von
Glücksspielen, Alkohol zu trinken oder Schweinefleisch zu essen. Neben der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam, sind die Moscheen, in der die täglichen Gebete sowie das Freitagsgebet stattfinden, die wichtigsten Zentren
des islamischen Lebens. Das islamische Gesellschaftsverständnis ist theokratisch: das Ziel aller Muslime ist "Gottes Herrschaft auf Erden". Damit ist jedoch keine Herrschaft der Priester gemeint, wenn auch in
einigen islamischen Staaten die religiösen Autoritäten einen bedeutenden politischen Einfluss ausüben. Der islamischen Sozialphilosophie liegt die Auffassung zugrunde, dass alle Lebenssphären – die spirituelle, die
soziale, die politische und die wirtschaftliche – eine untrennbare Einheit bilden und von den islamischen Werten geprägt sein sollten. Auf diesem Ideal basieren die Gedanken des "islamischen Rechtes" und des
"islamischen Staates" und die starke Betonung des sozialen Lebens und sozialer Pflichten im Islam. Selbst die geschilderten fünf religiösen Hauptpflichten, die "Säulen des Islam", haben eindeutige soziale
Implikationen. Die Grundlage der islamischen Gesellschaft ist die Gemeinschaft, die durch die Ausübung der fünf Pfeiler des Islam miteinander verbunden ist. Ihre Aufgabe besteht darin, "das Gute zu befördern und das
Böse zu verhindern" und so die Welt zu verbessern. Das System der islamischen Universitäten trug zu den grossen kulturellen Entwicklungen des Islam bei. Die Universitäten wurden als religiöse Ausbildungsstätten
gegründet, an der die Ulama (Religionsgelehrte), Qadis (Richter), Muftis (staatlich anerkannte Rechtsgelehrte) und weitere hohe religiöse Amtsträger ausgebildet wurden. Diese Amtsträger bildeten – besonders in der Türkei
und Indien - eine wichtige politische Klasse, die grossen Einfluss auf die Politik des Staates nehmen konnte. In vielen muslimischen Ländern des 20. Jahrhunderts haben die Ulama jedoch einen Grossteil ihres früheren Einflusses
verloren, besondern unter den westlich erzogenen Muslimen, die einer rein islamistischen Regierungsform kritisch gegenüberstehen; in der Türkei haben die Ulama ihre juristische Macht völlig eingebüsst. Im 9. Jahrhundert
gründete der Kalif Al-Mamun in Bagdad eine Akademie zur Erforschung nichtreligiöser Fächer und zur Übersetzung griechischer philosophischer und wissenschaftlicher Texte. Im 10. Jahrhundert gründeten die Fatimiden-Kalifen auch
in Kairo eine Akademie, El-Azhar, die heute noch das wichtigste islamische Ausbildungszentrum darstellt. Herrscher und reiche Gönner unterstützten in der Regel einzelne Gelehrte finanziell. Die islamischen Gelehrten des
Mittelalters waren bedeutende Philosophen, Mediziner, Astronomen, Mathematiker und Naturwissenschaftler; zwischen dem 9. und dem 13. Jahrhundert war die islamische Kultur weltweit die am weitesten entwickelte. Weitere
berühmte islamische Universitäten sind unter anderem die 1067 von dem iranischen Staatsmann Nizam Al-Mulk in Bagdad gegründete Nizamiya, an der Religion, Theologie und islamische Tradition gelehrt wurden und an der auch der
berühmte Philosoph Al-Ghazali lehrte, sowie die 1234 in Bagdad gegründete Mustansiriya, die islamisches Recht und andere Fächer lehrte. In der islamischen Gesellschaft hat der Ausdruck "Recht" einen weiteren
Bedeutungsumfang als in den westlichen Gesellschaften, da das islamische Recht sowohl rechtliche als auch moralische Imperative umfasst. Aus demselben Grund kann nicht das gesamte islamische Recht in Form von Gesetzen gefasst
werden. Das islamische Recht besteht aus vier Quellen, den sogenannten "Wurzeln des Rechtes". Die ersten beiden Quellen sind die schriftlich niedergelegten in Form des Koran und der Sunna. Die dritte Quelle wird
als "Idjtihad" ("individuell verantwortete Meinung") bezeichnet und wird herangezogen, wenn ein Thema im Koran und in der Sunna nicht abgehandelt wird. Ein Jurist kann das Problem dann durch Analogieschluss
(qiyas) lösen. Diese Art des Schliessens wurde eingeführt, als islamische Theologen und Juristen sich in eroberten Ländern der Notwendigkeit gegenübersahen, die dortigen Gebräuche und Gesetze mit dem Koran und der Sunna in
Übereinstimmung zu bringen. Später begannen islamische Autoritäten, dies eigenständige Denken als Bedrohung für den Koran und die Sunna anzusehen, und stellten strikte Regeln zur Beschränkung seines Gebrauchs auf. Wegen der
tiefgreifenden Veränderungen der muslimischen Weltgemeinschaft in den letzten Jahrzehnten hat das innovative Denken des Idjtihad jedoch wieder mehr Bedeutung gewonnen. Die vierte Quelle ist der Konsens der Gemeinschaft (idjma).
Da der Islam keine offizielle Autorität kennt, die in Fragen der Glaubenslehre entscheidet, ist dies ein informeller Prozess, der oft lange Zeiträume in Anspruch nimmt. Im Islam haben sich fünf Rechtsschulen entwickelt, vier
sunnitische und eine schiitische. Die vier sunnitischen Schulen – Shafiiten, Hanafiten, Malikiten und Hanbaliten – entwickelten sich in den ersten beiden Jahrhunderten der Geschichte des Islam. Sie behandeln die
Rechtsgebiete, die der Koran oder die Sunna nicht abdecken, mit Hilfe systematischen Schliessens und unterscheiden sich in erster Linie dadurch, ob sie mehr die Autorität der Texte oder mehr den Analogieschluss in den
Mittelpunkt stellen; alle Schulen erkennen jedoch die Schlussfolgerungen der anderen Schulen als vollständig legitim und den Rahmen des orthodoxen Islam nicht überschreitend an. Im Prinzip dominiert jede Schule in bestimmten
geographischen Bereichen: die Hanafiten auf dem indischen Subkontinent, in Zentralasien, der Türkei und teilweise in Ägypten, Jordanien, Syrien, im Irak und in Palästina, die Malikiten in Nordafrika, die Shafiiten in
Südostasien und die Hanbaliten in Saudi-Arabien. Die schiitische Schule (Djafariten) ist im Iran vorherrrschend. Der Ausdruck "Djihad", der in der Regel mit "Heiliger Krieg" übersetzt wird, bezeichnet
den Kampf für das islamische Ziel der "Verbesserung der Welt"; wenn notwendig, können dafür als Defensive auch Streitkräfte eingesetzt werden. Einige muslimische Herrscher des Mittelalters setzten dabei den Djihad
dafür ein, um Kriege zu rechtfertigen, die aus rein politischen Ambitionen geführt wurden. Der klassischen islamischen Rechtsauffassung zufolge zerfällt die Welt in drei Gebiete: das "Gebiet des Islam", in dem die
Muslime die Vormacht besitzen, das "Gebiet des Vertrages", die Mächte, mit denen Muslime Friedensverträge geschlossen haben, und das "Gebiet des Krieges", also die übrige Welt. Im Laufe der Geschichte wurde
das offensive Verständnis vom Djihad von einem eher defensiven ersetzt. Die islamische Gemeinschaft der Anfangszeit brachte eine Stärkung der Familie sowie die gleichzeitige Schwächung alter Stammesbindungen mit sich, wobei
letztere jedoch nicht völlig verschwanden. Der Koran betont den Respekt vor den Eltern. Die Ehe gilt im Koran und in der Sunna als eine empfohlene, selbstverständliche Einrichtung, in der die Ehepartner in Liebe und Verständnis
einander zugetan sein sollen. Im islamischen Recht, z. B. im Scheidungsrecht, nimmt der Mann eine Vormachtstellung ein, wobei der Ehebruch der Frau mit hohen Strafen belegt wird. Der Koran schreibt Massnahmen zur
Verbesserung der Stellung der Frau vor, wobei die im vorislamischen Arabien verbreitete Kindestötung von Mädchen verboten wurde; Töchter haben Anspruch auf einen Erbteil, wenn auch nur auf die Hälfte dessen, was Söhne
beanspruchen können. Der Koran legt wiederholt Nachdruck auf eine gute Behandlung der Frau und gesteht Ehefrauen im Fall einer schlechten Behandlung das Recht auf Scheidung zu. Der Koran erlaubt die Polygamie mit bis zu vier
Frauen, ermahnt aber auch: "Wenn Du fürchtest, nicht allen Frauen gleichermassen gerecht zu werden, dann heirate nur eine Frau." Der Missbrauch der Polygamie und des Rechtes, eine Frau auch dann zu verstossen, wenn
sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen, hat dazu geführt, dass in den meisten muslimischen Ländern in neuerer Zeit ein neues Eherecht eingeführt wurde. Zentral für Mohammeds Lehre war die Güte, Allmacht und Einheit
Gottes sowie die Forderung von Grosszügigkeit und Gerechtigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wichtige Elemente des Judentums und des Christentums wurden in die neue Religion aufgenommen, die ihre Wurzeln jedoch in den
vorislamischen arabischen Traditionen hatte. Zentrale Institutionen wie die Wallfahrt und das Heiligtum der Kaaba wurden in veränderter Form aus dem vorislamischen arabischen Glauben übernommen. Während der ersten
Jahrhunderte des Islam (7. bis 10. Jahrhundert) wurden seine Rechtsauffassung und seine Theologie, also die beiden grundlegenden orthodoxen Disziplinen, entwickelt, wobei die Theologie nach dem Recht den zweithöchsten
Stellenwert besass. Der erste grosse theologische Disput wurde durch die Ermordung des dritten Kalifen, Uthman ibn Affan, und die darauf folgenden politischen Auseinandersetzungen ausgelöst. Dabei ging es um die Frage, ob ein
Muslim auch nach einer schweren Sünde noch der muslimischen Gemeinschaft angehöre. Die fanatische Gruppe der Kharidjiten vertrat die Auffassung, dass selbst gläubige Muslime, die schwere Sünden begangen hätten, aber diese nicht
angemessen bereuten, aus der islamischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden sollten. Die Kharidjiten gingen so weit, alle politischen muslimischen Autoritäten als gottlos zu betrachten. Nach zahlreichen Rebellionen wurden sie
jedoch entscheidend geschlagen. Eine gemässigtere Gruppierung der Kharidjiten, die Ibaditen, konnte sich jedoch halten und existiert heute noch in Nord- und Ostafrika, Syrien und Oman. Die Übersetzung der griechischen
philosophischen Werke ins Arabische im Verlauf des 8. und 9. Jahrhunderts führte zur Entstehung der ersten grossen theologischen Schule des Islam, der Mutaziliten. Ihr Hauptanliegen bestand darin, die absolute Einheit und
Gerechtigkeit Gottes zu betonen. Daher verstanden sie Gott als reines Sein ohne Eigenschaften, da Eigenschaften bereits Vielfältigkeit implizierten. Die göttliche Gerechtigkeit habe den freien Willen der Menschen zur
Voraussetzung, denn wenn der einzelne sich nicht frei zwischen Gut und Böse entscheiden könne, hätten Belohnung und Bestrafung keine Bedeutung. Da Gott vollkommen gerecht sei, könne er dem Guten seinen Lohn ebensowenig
vorenthalten wie dem Bösen die Strafe. Unter dem Kalifen al-Mamun war die Theologie der Mutaziliten Staatstheologie, im 10. Jahrhundert jedoch setzte eine von dem Philosophen Al-Ashari und seinen Anhängern (Ashariten)
angeführte Gegenbewegung ein, die die menschliche Willensfreiheit bestritt, da sie diese Vorstellung als nicht mit Gottes absoluter Macht und seinem unbegrenzten Willen vereinbar ansah. Bestritten wurde auch, dass die
naturgegebene Vernunft des Menschen zur Erkenntnis von Gut und Böse führen könne. Dieser Meinung nach werden moralische Wahrheiten von Gott gesetzt und können nur durch Offenbarung erkannt werden. Die Ansichten der Ashariten
gelangten im sunnitischen (orthodoxen) Islam allmählich zur Vorherrschaft und sind heute noch bei den meisten konservativen Muslimen verbreitet. Davon unabhängig tendieren die Sunniten eher dazu, kleinere
Meinungsverschiedenheiten zu tolerieren und betonen ansonsten den Konsens der islamischen Gemeinschaft in Fragen der Glaubenslehre. Die mystische Bewegung des Sufismus entstand im 8. Jahrhundert. Damals wandten sich kleine
Kreise frommer Muslime in Reaktion auf die wachsende Weltlichkeit der islamischen Gemeinschaft dem inneren geistlichen Leben zu. Im Verlauf des 9. Jahrhunderts wurde der Sufismus zu einer mystischen Glaubenslehre, deren Ideal
die Vereinigung mit Gott war. Das Ziel der mystischen Vereinigung verstiess gegen den im Islam vertretenen Monotheismus; so wurde 922 in Bagdad Al-Halladj unter der Anklage hingerichtet, er habe behauptet, eine mystische
Erfahrung von Gott gehabt zu haben. In der Folge versuchten berühmte Sufis, eine Synthese zwischen gemässigtem Sufismus und der Orthodoxie zu schaffen; im 11. Jahrhundert gelang es dem Philosophen und Mystiker Al-Ghazali die
Mystik mit der sunnitischen Orthodoxie zu versöhnen. Im 12. Jahrhundert wandelte sich der Sufismus von der Beschäftigung einer gebildeten Elite zu einer Volksbewegung. Der Wert, den die Sufis dem intuitiven Wissen und der
Liebe Gottes beimassen, trug mit zum Missionserfolg des Islam in Afrika und Ostasien bei. Vom Atlantik bis nach Indonesien entstanden Sufi-Bruderschaften; einige umfassten die ganze islamische Welt, andere waren regional oder
lokal begrenzt. Ihren erstaunlichen Erfolg verdanken diese Bruderschaften hauptsächlich den Fähigkeiten und der Menschlichkeit ihrer Gründer und Führer, die nicht nur für die spirituellen Bedürfnisse ihrer Anhänger sorgten,
sondern auch den Armen aller Glaubensrichtungen halfen und häufig als Vermittler zwischen dem Volk und seiner Regierung fungierten. Die Schiiten sind die einzige noch existente sektiererische Bewegung des Islam. Sie
entstanden im Verlauf der Auseinandersetzung über die politische Nachfolge Mohammeds, in der die Schiiten die Auffassung vertraten, dass die Herrschaft über die islamische Gemeinschaft ein göttliches Recht der Nachkommen des
Propheten über seine Tochter Fatima und deren Mann Ali ist. Die Schiiten glauben an eine Abfolge von zwölf unfehlbaren Führern, die mit dem Imam Ali einsetzt. Sie werden deshalb auch als "Zwölfer-Schia" bezeichnet.
Der zwölfte und letzte Imam verschwand 880; die Schiiten erwarten seine Rückkehr und glauben, dass mit ihr die Welt gerecht werden wird. Aus der Schia haben sich mehrere kleine Glaubensgemeinschaften entwickelt, darunter als
wichtigste die der Ismailiten. Deren theologische Ideen sind radikaler als die der Schiiten; sie sind weitgehend von der Gnosis und vom Neuplatonismus beeinflusst. Die Ismaeliten leben vorwiegend in Indien und Pakistan, während
andere aus Ostafrika nach Kanada emigrierten. Die Drusen entstanden aus den Ismaeliten und bildeten sich nach dem mysteriösen Verschwinden des ismaelitischen Fatimiden-Kalifen Al-Hakim, von dem viele Drusen glauben, dass er
eine Inkarnation Gottes gewesen sei. 1841 behauptete der junge Schiit Mirza ali Muhammad aus Sh?r?z im Iran, der Bab (Tür, Tor; im übertragenen Sinn: Zugang zu Gott) zu sein und übernahm eine messianische Rolle. Seine
Anhänger, die Babiten, wurden von der schiitischen Geistlichkeit mit Macht verfolgt, er selbst wurde 1850 exekutiert. Unter der Führung seines Schülers Mirza Husain Ali Nuri, genannt Baha Allah, entwickelten die Bahais (wie die
Gruppe nun genannt wurde) eine synkretistische pazifistische Lehre, erklärten den Bahaismus als vom Islam unabhängige Religion, die u. a. auch in den USA viele Anhänger fand. Nach dem Mittelalter stagnierte die islamische
Kultur, so dass Idjtihad (das eigenständige Denken) wieder mehr in den Vordergrund rückte und religiöse Reformbewegungen entstanden. Im Gegensatz zu den hauptsächlich auf die Glaubenslehre und Philosophie ausgerichteten
Bewegungen des Mittelalters waren die Anliegen der neuzeitlichen Bewegungen überwiegend soziale und moralische Reformen. Die erste derartige Bewegung waren im 18. Jahrhundert die nach ihrem Gründer Ibn Abd al-Wahhab genannten
Wahhabiten. Diese wollten den Islam erneuern, indem sie ihn von Einflüssen zu befreien versuchten, die vom ursprünglichen Monotheismus abwichen. Andere islamische Reformer wurden von westlichen Gedanken beeinflusst. Der
einflussreichste Reformer des 19. Jahrhunderts war der Ägypter Muhammad Abduh, der davon ausging, dass Vernunft und modernes westliches Denken die Wahrheit des Islam eher bestätigen als in Frage stellen würden und dass die
islamische Glaubenslehre in neuzeitlichen Worten neu formuliert werden könne. Sir Muhammad Iqbal ist der wichtigste neuzeitliche Philosoph, der eine neue Interpretation der islamischen Glaubenslehre entwickelte. Intellektuelle
in Ägypten, der Türkei und Indien unternahmen es, die Lehren des Korans mit den Ideen in Einklang zu bringen, die mit der konstitutionellen Demokratie, den Naturwissenschaften und der Emanzipation aufkamen. Der Koran lehrt das
Prinzip der "Herrschaft durch Beratung", das – wie sie argumentierten – in heutigen Zeiten am besten durch repräsentative Regierungsformen und nicht mehr durch die Monarchie zu verwirklichen sei. Sie
wiesen darauf hin, dass der Koran die Erforschung und Nutzbarmachung der Natur fördert und dass die Muslime einige Jahrhunderte lang in den Naturwissenschaften führend waren. Sie vertraten weiter die Auffassung, dass der Koran
die Frauen rechtlich gleichgestellt habe, dass diese Rechte jedoch von den Männern an sich gerissen worden seien, indem diese die Polygamie massiv missbraucht hätten. Zwar basieren die modernistischen Gedanken auf plausiblen
Interpretationen des Korans, sie wurden jedoch, besonders nach 1930, von den Fundamentalisten erbittert bekämpft. Der islamische Fundamentalismus, der als Reaktion auf den Modernismus die Rückbesinnung auf die Fundamente des
Islam fordert, lehnt nicht die moderne Bildung, Naturwissenschaft und Technik als solche ab, sondern beschuldigt die Modernisten, Moralvorstellungen sowie Lebensformen der westlichen Welt zu verbreiten. So machen sie z. B. die
Emanzipation der Frau nach westlichen Muster für eine permissive Sexualmoral und den Zerfall der Familie verantwortlich. Demgegenüber fordern sie, die Rechtsvorstellungen der Scharia als Staatsgesetz durchzusetzen. Weitere
Gründe für das Aufkommen des Fundamentalismus liegen in der Unfähigkeit westlich orientierter Staatspräsidenten, die Situation der zumeist armen und rasch wachsenden Bevölkerung dieser Länder zu verbessern sowie darin, dass in
breiten Bevölkerungsschichten noch immer Resentiments gegenüber den früheren Kolonialmächten bestehen, die ihren Ausdruck in der Abneigung alles Westlichen finden. Auch in der Neuzeit hatte der Islam Missionserfolge zu
verzeichnen, so z. B. in Schwarzafrika sowie unter den Schwarzen in den USA (Black Muslims).
Quelle: Ashy
Islam Eine Einführung Mohammed Islam ("Unterwerfung", "Hingabe") beginnt
zuerst als jüdisch-christliche Reformbewegung, dann als eigenständige Religion mit Mohammed (ca 570-632 n.Chr), oder genauer mit den Offenbarungen oder Botschaften, die den Propheten seit seinem vierzigsten Lebensjahr in
kürzern oder längeren Abständen ergrefen. Zuerst als Halbwaise, dann als Waise in verschiedenen Familien und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, begleitet der junge Mohammed Karawanen zwischen Südarabien und Syrien und
lernt viele Juden, christliche Nestorianer und Manichäer kennen. Manche Elemente ihres Glaubens fliessen später in den Koran mitein. Mit 25 Jahren heiratet er die reiche, 40 jährige Kaufmannswittwe Chadidscha, die ihm zwei
(oder drei) frühverstorbene Söhne und vier Töchter schenkt. Sie wird später in der Zeit der Anfeindung seines Prophetentums in Mekka zu seiner besten Stütze. Mit etwa 35 Jahren zieht er sich immer mehr in die Einsamkeit der
kahlen Berge zurück, wo ihn die ersten Offenbarungen (zumeist Auditionen, seltener Visionen) überfallen. Eine Gestalt (später als Engel "Gabriel" gedeutet) drängt ihn, die Menschen in Mekka aufs nahe jüngste Gericht
und den ihm folgenden Höllenstrafen und Paradiesesfreuden hinzuweisen und sie zum Glauben an den einzigen Gott zu verpflichten. Diese Offenbarungen erreichen ihn später auch in der Öffentlichkeit. Augenzeugen berichten, dass
er,wenn eine Offenbarung naht, umfällt und sich zudecken lässt. Unter der Decke hört man ihn stöhnen und röcheln hörte. Nachher ist er schweissgebadet, aber zumeist - nicht immer - von neuen Gottesworten erfüllt. Wie immer wir
diese Hinweise zum Offenbarungsgeschehen deuten wollen, jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass sich Mohammed selbst in Trance hineinsteigerte und in einem heute weitherum populären Channeling-Stil selber göttliche Erkenntnisse
eingab. Diese Gottesworte können, den Meklkanern weitergeben, zuerst nur wenige überzeugen. Vor allem das Verbot der Verehrung vieler Götter verletzt das Empfinden und den Geschäftssinn mancher Mekkaner, ist doch Mekka seit
alters ein arabischer Wallfahrtsort und die Kaaba eine Stätte der Verehrung nicht nur für Allah, sondern auch für dessen Töchter. Mohammed wird derart angefeindet, dass er gerne dem Wunsch der Leute aus Jathrib (dem späteren
Medina) folgt, die ihn einladen, zu ihnen zu kommen und die ihn nicht nur als Propheten, sondern auch als politischen und militärischen Führer akzeptieren. Diese Uebersiedlung ("Flucht") nach Medina im Jahr 622 gilt
als Ausgangspunkt für die islamische Zeitrechnung. Mit der neuen Position ändern sich auch der Inhalt und die Form der Offenbarungen. Sprachen die frühen Offenbarungen in poetischer Dichte vom nahen Gericht, von Himmel und
Hölle und dem Glauben an den einzigen Gott, so werden die Offenbarungen der Medina-Zeit immer mehr zu langen Prosaabhandlungen, die alle Aspekte eines neuen, von Gott durch seinen Propheten geordneten Staates betreffen. Auch
die Familienverhältnisse des Propheten ändern sich gründlich: Nach dem Tod seiner ersten und bis dahin einzigen Gattin, heiratet Mohammed mit der Zeit 9 Frauen und zwei Nebenfrauen. (Nur ihm als Propheten wird es durch eine
Offenbarung erlaubt, mehr als vier Frauen zu heiraten.) In den nun folgenden kampfreichen Auseinandersetzungen mit seiner Vaterstadt Mekka und mit jüdischen Stämmen in der Umgebung von Medina, die sich mit den Mekkanern
verbündet haben, ein Kampf, der mit der vollständigen und zuletzt kampflosen Übergabe Mekkas an den Propheten und seine Anhänger endet, beschäftigen sich manche Offenbarungen mit der Notwendigkeit der kriegerischen Ausbreitung
des Glaubens, mit dem sog. "heiligen Krieg" (Dschihad). Zu den Auseinandersetzungen mit Juden und der Vernichtung jüdischer Stämme kommt es, weil Mohammed, der sich als treuer Prophet in der Linie der biblischen
Propheten versteht, erkennen muss, dass die Juden den Islam nicht annehmen und manche seiner Offenbarungen, biblische Gestalten betreffend, in der ihm geoffenbarten Form nicht akzeptieren. Konsequenz der Auseinandersetzungen
mit den Juden ist die Geburt des Islams als einer eigenen neuen Religion. Bisher hat Mohammed Richtung Jerusalem gebetet und sich nahtlos als Prophet in der Tradition biblischer Propheten verstanden. Nun betet er mit den
Moslems Richtung Mekka, erklärt die Kaaba in Mekka als das von Abraham begründete älteste Gebetshaus und die jüdische und christliche Bibel als von den betreffenden Glaubensgemeinschaften später verfälschte Offenbarung. Im
Koran, in den Offenbarungen an den Propheten, wird nach islamischer Überzeugung die ursprüngliche Offenbarung wieder von ihren Verzerrungen befreit. Mohammed stirbt 632 als erfolgreicher Gottesbote und Oberhaupt eines
dynamischen, expandierenden Staatswesen, aber ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen. Sunniten und Schiiten Sunniten halten vor allem die ersten vier Kalifen als rechtmässige
Nachfolger Mohammeds, die Schiiten akzeptieren nur Ali, den Vetter und Schwiegersohn des Propheten als legitimen Erben. Ihm habe Mohammed vor seinem Tod ein spezielles Wissen für alle seine späteren, die Nachfolge antretenden
Nachkommen, die Imame, übergeben. Die Schiiten, die Partei des Ali und dessen Nachkommen, mussten erleben, wie die für ihr Empfinden legitimem Erben nicht nur aus dem Amt gedrängt, sondern z.T. auch umgebracht wurden. Vor allem
der Tod des Prophetenenkels Hussain und seiner Familie 680 bei Kerbela prägt den Glauben und das Empfinden der Schiiten über alle Jahrhunderte hinweg. Dem Sunniten (83% der Moslems), die sich vor allem auf Sunna, die
Überlieferung aus dem Leben Mohammeds ausserhalb des Korans beriefen, gelang es, die rasch expandierenden moslemischen Reiche und das in ihnen gültige Recht in der für sie bezeichenden Einheit von Religion und Staat zu ordnen.
Die Schiiten sehen die Imame, die rechtmässigen Nachfolger Mohammeds nicht nur als besondere Offenbarungsträger, sondern zum Teil sogar als "Inkarnation", als göttlicher Funke in Menschengestalt, eine Auffassung, der
die Mehrheit der Moslems heftig widerspricht: Gott inkarniert sich nie in Menschen. Auch Jesus war nicht sein Sohn. Gott schenkt nur Propheten sein Wort. Der sunnitischen Islam kennt vier Rechtsschulen (Hanefiten,
Malikiten, Schafiiten, Hanbaliten). Sie dürfen nicht mit den christlichen Konfessionen verglichen werden. Sie unterscheiden sich durch oft geringfügige verschiedene Interpretationen des islamischen Rechts, nicht jedoch in den
wesentlichen Punkten des islamischen Glaubens, und anerkennen sich gegenseitig als rechtgläubig. Islam der Gegenwart Die Dynamik des Islams in der Politik der Gegenwart gründet vor allem in
einem nach Jahrhunderten der Stagnation durch die Vorherrschaft europäischer Kolonialmächte geweckte Rückbesinnung auf die Kraft und das Selbstbewusstsein des Islams im 19. Jahrhundert. Diese Rückbesinnung führte einerseits ins
Bemühen um einen panislamischen Staat und andrerseits in manche Versuche einer Wiederherstellung urislamischer Kultur und Rechtsordnung. Im Moment lassen sich behelfsmässig folgende, in der Realität mannigfach ineinander
verwobene Strömungen innerhalb des Islams der Gegenwart unterscheiden: 1. Die Fundamentalisten suchen mit ihrer kämpferisch antiwestlichen Grundhaltung eine neue und für das ganze Staatswesen verbindliche Einheit von
Religion und Staat auf Grundlage frühislamischer Traditionen, ohne Abstriche übertragen auf unsere Zeit. Oft sehen die Fundamentalisten diese alte und zugleich neue Ordnung als Modell für die ganze zukünftige Welt. 2. Die
Traditionalisten (z.Bsp. in Saudi Arabien) halten an derselben Einheit fest, ohne dadurch in antiwestliche Aussenpolitik zu gleiten. Was für die islamische Welt gilt, gilt nicht für den Rest der Erde. 3. Die Säkularisten
(sie bestimmen weitgehend die Politik z.B. in der Türkei) und die Liberalen engagieren sich für einen laizistischen Staat und für einen Islam ohne islamische Staatsform. Säkularisten verweisen auf die ethischen, nicht unbedingt
juristischen und politischen Implikationen des Korans. (Säkularisten finden sich in der politisch und kulturell aktiven islamischen Welt und im realistischen Islam des Westens viele. Engagierte liberale Moslems, d.h.
Säkularisten nicht nur aus Anpassung an westliche Mentalität, sondern aus persönlicher gläubiger Ueberzeugung, sind in der religiösen Gegenwart der westlichen Welt eine Minderheit.) 4. Die Dschihadisten, die Akteure eines
"heiligen" Kampfes, kämpfen mit allen, auch mit terroristischen Mitteln, für den Islam gegen die westliche Welt - und gegen Israel, die letzte sog. "Kolonie" in der arabischen Welt. Eigentliche
Dschihadisten, sind weltweit eine zahlenmässig verschwindend kleine, aber äusserst gefürchtete politisch-religiöse Gruppe. Neben alle diese durch ihr je verschiedenes Verhältnis zum Staatswesen sich unterscheidenden Gruppen
oder Strömungen treten in der Gegenwart immer zahlreichere durch bestimmte Gründergestalten und spezielle Glaubenseinsichten geprägten Bewegungen. In allen Religion finden sich Fundamentalisten. Die Frage, warum denn gerade
der Islam der Gegenwart augenfälliger und öfter als jede andere Religion durch Demonstrationen reaktionärer Gewalt von sich reden macht, beantwortet sich zum einen mit dem Hinweis auf das brisant kritische Verhältnis des
islamischen Fundamentalismus zur modernen westlichen Zivilisationen und seiner "USA-Leitkultur". Kein Fundamentalismus steht in derart leidenschaftlicher Opposition zur gegenwärtigen westlichen Zivilisation wie der
islamische. Zum anderen zu bedenken sind die grossen Schwierigkeiten die sich der grossen Zahl säkular gesinnter Moslems in den Weg stellen, wenn sie versuchen, den Graben zwischen moderner Welt und islamischer Tradition für
alle Moslems überzeugend zu überbrücken. Auf wirklich auch Traditionalisten überzeugende Weise hat noch niemand moderne Welt und islamische Tradition miteinander versöhnt. Solange dies aber nicht gelingt, verwandelt sich
Traditionsbewusstsein mancherorts in Reaktion und sieht sich die moderne Welt mit verzweifelt reaktionären Programmen und den diesen Programmen entsprechenden oft auch verzweifelt irrationalen Aktionen konfrontiert.
Sufismus Schon in der frühen Zeit, als sich der Islam vor allem durch seine militärischen Erfolge rapide ausbreitete, litten einzelne Gläubige an der mit der Ausbreitung verbundenen
Veräusserlichung des Glaubens. Zum Teil zweifellos auch angeregt von der Askese und Mystik christlicher Mönche und später von den Trance-Techniken der indischen Yogis, suchen sie auf mystischem Weg die Nähe Gottes und sogar -
für die übrigen Moslems unvorstellbar - die Vereinigung mit ihm. Mit der Zeit entstanden Orden, die verschiedene Meditationstechniken entwickelten. Allen ist gemeinsam, dass sie davon ausgehen, dass sich der Mensch auf einer
Reise befindet, deren Ziel die Vereinigung mit dem Geliebten (Gott) ist. Diese Vereinigung wird als ein Zustand der Reinheit, der Ganzheit oder der Vollkommenheit beschrieben. Um das zu erreichen, muß das Ego, der eigenmächtige
Trieb (nafs), bekämpft und überwunden werden. Das zentrale Organ hierfür ist das Herz, welches in Liebe zu Gott entbrennen muß. Das Herz erkennt, dass nur Gott existiert und alle Dinge in ihm bestehen (göttliche Einheit:
tawhid). Die Vielfalt der Erscheinungen ist eine Illusion. Es gibt viele verschiedene geistige Pfade (tariqa) zu Gott, doch lassen sie sich grob in zwei Gruppen teilen: 1. Die einen gehen eher einen emotionalen Weg, um die
Vereinigung mit Gott zu erlangen. Diese Orden pflegen Sama&Mac222; (Anhören oder Singen von Sufi-Liedern und das Tanzen in rhythmischen Bewegungen) sowie Zikr (oder Dhikr geschrieben), bei dem Namen Gottes und heilige
Formeln während längerer Zeit wiederholt werden. Jeder Orden hat eigene Techniken, die sich von Orden zu Orden mehr oder weniger stark unterscheiden. Während die einen bei ihren Zusammenkünften still im Kreis sitzen und jeder
für sich die Gebete oder Formeln nur innerlich spricht, pflegen andere diese laut und oft mit Körperbewegungen unterstützt zu wiederholen. Manchmal kommen Atemübungen dazu. Im Extremfall "tanzen" Sufis, wie z. B. die
«Wirbelnden Derwische» von Konya. 2. Andere Orden, die eher intellektuell ausgerichtet sind, vermitteln eine Instruktion, eine Wegleitung zur Erreichung des höchsten Bewußtseins (tawhid), die stärker die Erkenntnisfähigkeit
des Menschen anspricht. Allen Richtungen gemeinsam sind manche Merkmale der Vermittlung. Der Schüler (murid = "Strebender") steht in einer engen Verbindung mit dem Meister (murschid = "Führer"), das heißt
mit dem Oberhaupt des Ordens (Sheikh). Der Meister gibt portionenweise das notwendige Wissen dem Schüler weiter und begleitet ihn als "Beichtvater" auf seinem ganzen Weg. Das genaue Methoden-Wissen ist in der Regel
esoterisch und wird von den Ordensmitgliedern nicht öffentlich preisgegeben. Der Schüler leistet grundsätzlich dem Sheikh, den er als Repräsentant Mohammeds verehrt, unbedingten Gehorsam. Trotzdem kann in der Praxis das
Verhältnis zum Sheikh recht locker sein. Wichtig und symbolreich ist der Einweihungsritus. Die Bedeutung der Ordensmeister zeigt sich nicht zuletzt in der Sukzessionreihe, in der sie stehen. Der gegenwärtige Sheikh bildet das
letzte Glied einer spirituellen Kette (silsila), die bis zum Gründer zurückreicht. Es gibt Orden, die ihre Traditionskette bis zu Ali (Schwiegersohn des Propheten), Abu Bakr oder Mohammed selbst zurückführen, welche das Wissen
um die Vereinigung mit Gott am reinsten kannten. Der Sufismus gründet in der islamischen Offenbarung. Die Sufis halten das Gesetz, halten sich an die fünf Säulen des Islams (Glaubensbekennntnis, Gebet, Fasten im Fastenmonat,
Almosensteuer und Wallfahrt nach Mekka) und verehren Mohammed als den letzten Propheten.) Trotzdem sehen andere Muslime bei Sufis die historisch kaum bestreitbare Tendenz, ausserislamische Elemente aufzunehmen. Deshalb werden
sie oft argwöhnisch beobachtet. Manche Sufi-Orden erreichten einen grossen Einfluss auf die Gesellschaft und die Politik. Dies war einer der Gründe, warum die Tariqat in der Türkei verboten wurden. Deshalb treten türkische
Sufis kaum öffentlich in Erscheinung. Die meisten Sufi-Gruppen wirken im Verborgenen. Sie missionieren kaum und laden höchstens Aussenstehende gelegentlich zu einem Vortrag ihres Scheichs ein. Vom Sufismus deutlich zu
unterscheiden sind die Neo-Sufis. Vertreter von neo-sufischen Organisationen sehen keine genetische Verbindung von Sufismus und Islam und behaupten, Sufi sein zu können, ohne Muslim zu sein. Mit dieser Sicht neigen sie dazu,
den Sufismus auf seine vorislamischen und ausserislamischen Wurzeln zu reduzieren. Ihrer Meinung nach ist der Sufismus eine uralte Weisheit (Sufismus wird vom griech. Wort Sophia=Weisheit abgeleitet), die den Menschen bereits
vor der Zeit der heutigen Religionen bekannt war. Mit ihrer Vision des Sufismus betreten die Neosufis im Zeitalter der Globalsierung spirituelle vielleicht einleuchtende, aber historisch völlig spekulative Pfade. Sufismus
leitet sich höchstwahrscheinlich vom arabischen "suf" (Wolle) ab. "suf" wurde das weiße Wollkleid genannt, das die ersten Mystiker als Zeichen der Demut trugen. Eine andere Möglichkeit ist auch die
Herleitung von arab. "safu" (Reinheit), da die Sufis die spirituelle Reinheit erstreben. Georg Schmid, 2001
Seit den Ereignissen vom 11. September 2001 ist der Islam wieder zum Angriffspunkt der Medien geworden.
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